Tag 9 in China: Wir sind guter Dinge als wir an diesem Morgen an den Busbahnhof gehen, um die fast 8-stündige Busfahrt nach Kangding, dem "Eingang" in die Berge anzutreten. Wie immer zeigen wir den Bahnhofsangestellten unser Ticket, auf dem lediglich die Abfahrtszeit und der Preis in für uns lesbaren Zahlen angegeben sind. Wir werden zum Bus geleitet und nehmen Platz. Es kann losgehen... Pustekuchen! Der Bus fährt nicht ab, da vor dem Bus zwei Reisende warten, die ein Ticket besitzen, für die es aber keinen Platz mehr gibt. Nachdem wir die lautstarke Diskussion eine Weile ignoriert haben, fragt Timo, nur um sicher zu gehen, ob die anderen Reisenden im Bus den gleichen Ort zum Ziel haben wie wir. Haben sie nicht! Wir sind der Ursprung allen Übels, denn wir sitzen im falschen Bus ;-) Ironischerweise sitzen wir in dem Bus, der an den Ort fährt, von dem wir vor zwei Tagen in einer 20-stündigen strapaziösen Fahrt (eigentlich hätte sie acht Stunden dauern sollen) zurückgekehrt sind. Schnell raus mit uns... Zum Glück ist der Bus nach Kangding noch nicht abgefahren. Beide Busfahrer sind verärgert, wir sind verärgert und so beschimpfen wir uns in unseren jeweiligen Sprachen. Zum Glück verstehen wir einander nicht ;-) Nach diesem Gesichtsverlust am frühen Morgen geht es dann aber endlich los. Die Toilettenanlagen in Richtung Westsichuan werden im wahesten Sinne des Wortes immer beschissener, Privatsfähre gibt es hier nicht mehr, die Landschaft ist unendlich hässlich bebaut, der Busfahrer eine Reihe vor uns rotzt fast ununterbrochen aus dem Fenster und wir sind fertig mit den Nerven. Auch unsere erste Begegnung mit dem tibetischen Buttertee ist nicht gerade das beste Erlebnis. Dieser schmeckt irgendwie ein bisschen zu sehr nach Gorgonzola-Sauce. Würde Millie nicht auf uns warten, würden wir China auf der Stelle verlassen. Wir haben die Nase (klo-)voll ;-) !!!!
Tag 10 in China: Nach einer warmen Nacht auf 2600m mit elektrischen Heizdecken, Wärmelampen im Bad und Heizung sowie einer großen Portion leckerer Momos am Vorabend sind wir besänftigt und treten den kurzen Trip nach Tagong, welches auf 3600m liegt, an. Ab hier fahren fast nur noch Minibusse und Kleinwagen. Abfahrtszeiten sind variabel. Es geht los, wenn die Autos voll sind. Zum Glück ist unser Audi schnell voll. Dank dem Mönch auf dem Beifahrersitz sollte jetzt ja nichts mehr schief gehen. In Tagong, einem kleinen Dorf mit 6000 Einwohnern, angekommen, kommt für uns sogar die Sonne raus. Schnell wird es warm und wir ziehen mehrere der vielen Lagen, die wir tragen, aus. Die Landschaft ist weit und fast unberührt. Ein paar Strommasten, die die Elektrizität u.a. für unsere Heizdecken liefern, durchziehen das trockene Grasland. In der Ferne blitzen schneebedeckte Gipfel hinter den Wolken hervor. Goldene Klosterdächer schimmern im Sonnenlicht und bunte Gebetsflaggen wehen im Wind. Tibeter in traditionellen Roben drehen Gebetsmühlen während sie mit der anderen Hand die Perlen ihrer Gebetsketten bewegen. Es herrscht eine angenehme und ruhige Stimmung. Die Straßenschilder sowie die Schilder der kleinen Geschäfte sind auf tibetisch und chinesisch ausgewiesen, man begrüßt sich mit "Tashi Delek". Wir sind in Tibet angekommen bzw. sind wir in dem Teil Chinas angekommen, welchen die Tibeter noch heute als Tibet bezeichnen, auch wenn die Chinesen das nicht so sehen ;-) Wir sind glücklich und wollen so schnell nicht mehr von hier weg ;-)
Tag 11: Unser Gebetsmühlendrehen hat gewirkt und wir wachen zu strahlend blauem Himmel und Sonnenschein auf - perfektes Wetter für unseren geplanten Pferderitt durch die tibetische Hügellandschaft. Die Nacht verbringen wir bei einer tibetischen Nomadenfamilie, die vor dem nahenden Winter in die Nähe der Stadt zurückgekehrt ist. Wir essen Thukpa, tibetische Nudelsuppe, und trinken ungesüßten Milchtee, der deutlich angenehmer für unsere Geschmacksnerven ist als Buttertee. Bei unserem abendlichen Toilettengang im Hof schauen uns die Yaks ganz verwundert an - auch sie scheinen selten Westler zu Gesicht zu bekommen ;-) Unser Schlafplatz befindet sich neben dem mit Butter gefüllten Yak-Magen, gleich unterhalb des Lautsprechers der bis spät in die Nacht buddhistische Mantras wiedergibt.
Tag 12: Zum Frühstück gibt es Tsampa, eine Art Brei aus gerösteter Gerste, Butter und Mehl, welches verdünnt mit Milchtee entweder mit den Fingern gegessen oder auch direkt mit der Zunge aus der Schüssel in den Mung gesogen wird. Wir bevorzugen den Yak-Yoghurt ;-)
Tag 14: Mittlerweile sind wir in Litang. Litang ist mit 40 000 Einwohnern eine sehr überschaubare Kleinstadt und auf einer Höhe von fast 4100m unsere höchste Station. Westliche Reisende scheinen hier eine Seltenheit zu sein, denn uns grüßt so ziemlich jeder. Wir sind nicht mehr allein. Mit uns reist Juan, ein Argentinier in unserem Alter, den wir in Tagong aufgegabelt haben. Gemeinsam essen wir uns an Momos und Yak-Yoghurt satt, besuchen Litangs Kloster und haben einen Riesenspaß dabei, den Alltag der Mönche und Einheimischen zu beobachten und zu sehen, wie letztere in Gruppen das Kloster umrunden und dabei kleine Gebetsmühlen drehen oder wie sie gemeinsam die größte Gebetsmühle der Stadt bewegen und dabei Gebete vor sich hin murmeln.
Tag 15: Mein Geburtstag! Timo beschert mir einen Nudelkuchen und wir besuchen eine Himmelsbestattung.
Tag 18: Wir haben es geschafft. Wir sind in Shangri-la angekommen!!!! Juan haben wir in Litang gelassen. Dafür leistet uns Ean nun Gesellschaft. Ean ist eine 53-jährige reisefreudige Chinesin aus Malaysia. Ihre Chinesischkenntnisse haben uns das Reisen in den letzten Tagen deutlich vereinfacht und ihre quirlige Art ist eine willkommene Abwechslung zu den ruhigen Tibetern. In Litang besuchen wir auf 3200m gemeinsam den größten und bedeutsamsten Klosterkomplex nach Lhasa - ein wirklich beeindruckendes Bauwerk -, drehen an der größten Gebetsmühle der Welt, bringen Gebetsfahnen an und tanzen abends mit den Einheimischen auf dem Dorfplatz. Was ein schönes Ende unserer Zeit im tibetischen Hochland!
Nachträglich alles Liebe fürs neue Lebensjahr! Grüße aus dem herbstlich grauen Wilhelmshaven! Heute war aber auch mal die SONNE da: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/ndr_aktuell/Forschungsschiff-Sonne-nimmt-Dienst-auf,ndraktuell23976.html
AntwortenLöschenGute Reise weiterhin! Julia