10 Millionen Menschen, davon 6 Millionen unterhalb der Armutsgrenze, obdachlose Familien mit Kindern, die unter Brücken leben, bettelnde Kinder, die uns an den Ärmeln zupfen, unehrliche Rickshaw-Fahrer, Anarchie auf den zum Teil 6-spurigen Fahrbahnen und unerträglicher Smog, der einem den Atem raubt. Mumbai, unser letzter und zum Glück nur kurzer Stop auf unserer Reise durch Südindien, brachte uns wahrlich auf die Palme! Zum Glück war da Anil, ein Inder, bei dem wir bereits bei unserem letzten Mumbai-Aufenthalt vor zwei Jahren Zuflucht gesucht haben und der uns freundlicherweise auch dieses Mal wieder beherbergt hat. Doch wir bleiben dabei: Nach Mumbai kehren wir nicht mehr zurück!
Wo wir jederzeit hin zurückkehren würden, ist Kerala - das Gegenteil von Mumbai: Mit der geringsten Analphabetenrate im ganzen Land gilt Kerala als sehr progressiver Staat. Die Menschen dort sind umweltbewusster; vielerorts sind Plastiktüten verboten. Auf den Straßen geht es gesitteter zu; der Lebensrhythmus ist allgemein gedigener. Kerala heißt übersetzt "Palmenland" und das ist es in der Tat. Noch nie haben wir so viele Palmen gesehen. In deren Stämme sind häufig Stufen geritzt, sodass "Könner" hinaufklettern und die Kokosnüsse abschlagen können oder den Palmenwein aus den Blättern gewinnen können. Uns hat es in Kerala allerdings nie auf die Palme gebracht - wir haben dieses Schauspiel eher von unten und vom Wasser aus bewundert.
Vor allem ist Kerala berühmt für seine Backwaters, kilometerlange und von Palmen gesäumte Wasserstraßen in Küstennähe, die man mit Hausbooten, Kanus und öffentlichen Fähren befahren und dabei das Leben der Menschen entlang der Kanäle bestaunen kann. Da sitzen Frauen und waschen Wäsche im Kanal oder sie bereiten den frischen Fisch zu, der von den Fischern geliefert wird, die gerade auf ihren bunt bemalten Booten von der See zurückkehren. Da kommen Verkäufer oder gar der medizinische Hilfsdienst auf kleinen Barken vorbei oder man hat mal wieder Glück und sieht einen Kingfisher (in Indien auch bekannt als Bier, in Deutschland eher als Eisvogel). Wir haben sogar gesehen wie Kordel aus Kokosnusshaar hergestellt wird. Bei diversen Ausflügen auf dem Wasser in Kollam und Alleppey haben wir demnach ein weiteres Gesicht Indiens ohne Lärm, Stau und Gedrängel kennengelernt und die Zeit und Ruhe so richtig genossen.
Was wir an Indien so schätzen, ist die Tatsache, dass dieses Land uns immer wieder ins Staunen versetzt. So beispielsweise in Kottayam, wo wir Glück hatten, einem Tempelfest beiwohnen zu dürfen. Im Tempelareal wurden dazu bunt geschmückte Elefanten zur Schau gestellt, auf deren Rücken Tänzer im Rhythmus der -naja- eher schrillen Tempelmusik tanzten und verkleidete Männer spielten Szenen aus dem Leben der Götter. In der weltlichen Variante des Festes haben wir auf einem Jahrmarkt handbemalte Kinderkarussele gesehen, die dazu noch mit der Hand betrieben wurden - genial! Und hier war es wieder, das Indien, wie wir es kennen: laut, voller mit dem Kopf wippenden Menschen und unheimlich farbenfroh und exotisch.
Unseren Aufenthalt in Kerala haben wir schließlich mit einem Besuch von Indiens höchstem Teeanbaugebiet in Munnar beschlossen. Zwar waren wir ja auch schon zu Beginn unserer Reise in den Teeplantagen Sri Lankas, aber in Kerala waren sie nochmal ganz anders: Erstens viel größer und weiter in ihrer Ausdehnung und zweitens vom Bild einem Flickenteppich gleich. Auf einer 2-stündigen Wanderung waren wir ganz alleine mit den Teepflückerinnen "im Tee", die sich sichtlich über ausländischen Besuch freuten. Man hörte sie noch in weiter Entfernung in den Hügeln ausgiebig "schnattern".
Wir waren auch mal wieder im Kino. Nein, wir sprechen auch kein Malayalam ;-) Ihr denkt bestimmt, Kino, ohne etwas zu verstehen, sei super langweilig, aber in Indien ist Kino weit von Langeweile entfernt. Die Menschen jubeln und pfeifen, wenn ihre Lieblingsschauspieler auf die Bühne kommen - vor allem die Jungs sind da immer gut dabei. Bei uns würde man nie so viele Jungs in Liebesfilmen sehen. Es stört auch keinen, wenn jemand im Kino telefoniert. Von daher ist es eigentlich ganz gut, dass man nicht für die Dialoge, sondern für das Erlebnis an sich ins Kino kommt. Solltet ihr also nach Indien kommen, geht unbedingt ein oder auch zwei Mal ins Kino und fangt ruhig in Kerala an, hier schlägt Indiens Puls ein wenig langsamer - bestens also zur Eingewöhnung ;-)
Nun sind wir auf dem Weg nach Nepal, dem letzten Land auf unserer Reise. Und da wir gar nicht wollen, dass die Reise zu Ende geht, werden wir die Everestregion, die wir dieses Mal ins Auge gefasst haben, gaaanz langsam, sozusagen in Slowmotion erwandern. Wir hoffen dabei bis ins Everest Basecamp auf knapp 5500m vorzudringen. Hoffentlich wird es nicht allzu kalt, sodass wir jede Sekunde genießen können...
Viele liebe Grüße und bis bald, Hanna und Timo
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