Montag, 23. Februar 2015

Myanmar, ein Land, das anders ist als alle anderen


Unsere Zeit in Myanmar neigt sich dem Ende zu. Vor uns liegen 20 Stunden Busfahrt zurück in die Hauptstadt, von wo aus wir in wenigen Tagen nach Indien fliegen werden. Doch daran ist momentan noch gar nicht zu denken. Wie eine Prüfung stehen uns die 20 Stunden Busfahrt bevor, nur dass eine Prüfung von der körperlichen Anstrengung her wohl wesentlich besser wegzustecken wäre. Das erste, was wir nach Betreten des Busses tun, ist die Luft, die aus der Klimaanlage in unsere Gesichter bläst, mit Klopapier zu blockieren. Frieren im Bus ist Prestige und dafür zahlen die Birmanen gerne viel Geld. Eine 20-stündige Busfahrt im Air-Con Express Bus kostet 30 Dollar, was in Anbetracht der Tatsache, dass beispielsweise ein Lehrer in Myanmar nur knapp 100 Dollar im Monat verdient, ein exorbitanter Preis ist - ganz zu schweigen von dem Zustand des Buses, der das Geld definitiv nicht wert ist. Aber solch einen Preis kann man eben verlangen in einem Land, das erst seit ein paar Jahren für Touristen geöffnet ist, welche viel zu zahlreich ins Land strömen und somit die Preise für Transport und Unterkünfte in die Höhe schießen lassen (Jedes Jahr verzeichnet Myanmar ein Plus von 1 Millionen ausländischen Touristen!).



Auch Timo hat die Klimaanlage teuer bezahlt, denn er hat seit einigen Tagen eine Angina und lässt nun mit Buff und Decke über dem Gesicht und bis oben zugedröhnt mit Aspirin Komplex das Ruckeln über sich ergehen. Neben uns hat gerade einer seine Bazillen in den Vorhang gerotzt; die besten Voraussetzungen also zum Heilen... Und als ob das noch nicht genug wäre, dröhnt aus den Lautsprechern in ohrenbetäubender Lautstärke Musik, die selbst die besten Oropax nicht auszublenden vermögen. Irgendwie muss der ganze Lärm in Asien ja Schäden hinterlassen. Der Busfahrer und die anderen Insassen scheinen es nicht sonderlich laut zu finden. Manch einer hat sogar den Mumm, noch seine eigene Musik im Kanon dazuzuspielen. Naja, die Musik ist immerhin unterhaltsamer als die zuvor gezeigte Show, bei der sich eine Reihe Birmanen gegenseitig mit Blechschüsseln auf die Köpfe schlug, wobei jeder Schlag einen unreell klingenden Special-Effekt Sound entsandte, der fast schon wieder lustig war. Augen (und Ohren) zu und durch, würd ich mal sagen... 




Wesentlich entspannter und erfreulicher war im Gegensatz dazu unser Aufenthalt in Mrauk U, einem kleinen abseits der Touristenpfade gelegenen Dorf an der Grenze zu Bangladesch. In diesem Dorf scheint die Zeit wahrlich stehengeblieben zu sein. Während unserer fünf Tage dort saßen wir am allerliebsten morgens auf dem Balkon unseres Hostels, von dem aus wir das morgendliche Treiben haben beobachten können: An einem kleinen Tisch sitzt eine Frau und verteilt fleißig Schalen mit Nudeln an ihre Kunden. Frauen, die Waren in riesigen Körben und Schalen auf dem Kopf transportieren, passieren die Frühstücksrunde; am einprägsamsten ist dabei das Bild jener Frauen, die silberne Wasserkrüge auf ihrem Haupt balancieren. Männer radeln Schulkinder, deren Wangen mit Thanaka-Kreisen bemalt sind, auf ihren Trishaws zur Schule. Andere Männer wiederum ziehen Karren mit gelben Wasserkanistern im Takt der Trishawfahrer an uns vorbei. Dem vom aufgewirbelten Staub beigen Straßenbild setzen sich die blutroten Betelnuss-Spuckflecken und das Dunkelrot der Mönche, die um Almosen bitten, entgegen. In der Ferne klingt der Mönchsgesang aus dem Kloster. Ansonsten ist es noch ganz still. Es gibt hier kaum Motorräder.




Und wenn wir nicht gerade auf dem Balkon saßen, waren wir mit dem Fahrrad unterwegs und haben, was sonst, Pagoden, Tempel und Buddhastatuen gejagt. An zwei Tagen wurden wir dabei von Olivia und Christoph aus Österreich begleitet, zwei Langzeitreisende, die wir vor zwei Montane in Laos kennengelernt und in Mrauk U aus Zufall wiedergetroffen haben. Am schönsten war dabei der Sonnenaufgang, den wir uns eines morgens von einem der vielen Pagodenhügel angeschaut haben. 
Noch vor Sonnenaufgang hüllt Nebel die mit Stupas und Palmen bespickten Hänge ein, wodurch die Landschaft zunächst sehr kühl erscheint. Doch sobald die Sonne aufgegangen ist, taucht sie das Dorf in warme Farben und ein neuer warmer Tag beginnt... Einfach magisch!




Ein weiteres Highlight unserer Zeit in Mrauk U war der Besuch eines Dorfes, in dem Frauen der sogenannten Chin-Minderheit leben. Das besondere an den Chin ist, dass es unter ihnen alte Frauen gibt, deren Gesichter mit Spinnenweben tätowiert sind. Auch wenn es für uns wie eine Dekoration aussehen mag, kann davon wohl keine Rede sein, denn diese Frauen wurden als junge Mädchen zum Schutz vor den gewalttätigen japanischen Soldaten unter drei-tägigem Ritual und wahrscheinlich jeder Menge Schmerzen tätowiert. 




Glücklicherweise sind die Dörfer, in denen die wenigen Frauen leben, die es unter ihnen heute noch gibt, noch nicht dem Massentourismus zum Opfer gefallen, wie es in Thailands zoo-artigen Minoritätendörfern der Fall ist. Das mag u.a. daran liegen, dass bis vor wenigen Monaten der Rakhine-Staat und damit die Umgebung um Mrauk U Touristen noch gar nicht zugänglich war. Wie dem auch sei, auch wir machten uns an einem Tag mit drei sehr netten jungen Reisenden, darunter Silvano aus der Schweiz und der witzige Youto aus Japan, und einem ortskundigen Guide per Boot auf Erkundungstour und fanden nicht nur die Frauen mit den Tätoos, sondern wurden Beobachter des erstaunlichen und bewundernswerten Lebens auf dem Fluss und trafen auf eine Horde quirliger Kinder, mit denen wir jede Menge Spaß hatten. 




Unser Fazit nach unserer Reise durch Myanmar: Wer es gerne einfach mag, sprich gute Busse und gute Straßen im Reiseland seiner Wahl erwartet, dem sei von Myanmar abgeraten. Zwar wird an den Straßen fleißig gewerkelt (wohlgemerkt von Frauen, denn sie müssen nicht so hoch bezahlt werden wie die hiesigen Männer), doch ein Schnitt von 35-45 km/h ist hier die Norm. Wer es auf kulinarische Highlights absieht, der fahre lieber nach Indien oder Thailand, denn die burmesische Küche ist eher fad und ölig. Wer jedoch Südostasien auf ursprüngliche Weise erleben und Zeuge altertümlicher Lebensweisen werden möchte, ohne dass ihm/ihr dabei an jeder Ecke Snickers, Pringles und die gängigen westlichen Gerichte ins Gesicht springen (Coca Cola und "Fritierte Franzosen" a.k.a. French fried gibt es überall), der fahre nach Myanmar. Hier haben wir das Gefühl gehabt, Südostasien in seiner authentischsten Art, so wie viele ältere Reisende von Thailand und seinen Nachbarn von vor 20 Jahren schwärmen, erleben zu dürfen und wir sind sooooo froh darüber, denn es war wunderbar! Rudyard Kipling, der Erfinder von Mogli, sollte also recht behalten, als er 1898 in Briefe aus dem Orient schrieb: "Das hier ist Burma, ein Land, das anders ist als alle anderen, die du kennst." 

Auch wenn er sich dabei primär auf die Shwedagonpagode bezog, hatte er nicht unrecht, denn die Pagode ist einfach der Wahnsinn. Das 100m-hohe und mit 60 Tonnen verzierte Wahrzeichen Yangons ist zumindest eines der beeindruckendsten Heiligtümer, welches wir je gesehen haben. 



Next Stop: India!!!!! ;-) Da wir uns momentan noch nicht bereit fühlen, dem Verkehrschaos, den endlosen Hupkonzerten, der Tränen- und Schweiß erzeugenden Schärfe, dem Durchfall hervorrufenden Wasser und dem gnadenlosem Gedrängel von Mainland India entgegenzutreten, haben wir uns kurzerhand dazu entschieden, zwei Wochen unserer Zeit in Indien auf den Andamanen zu verbringen. Langsam wollen wir uns an Indien gewöhnen...

Von dort dann bald wieder Neues...

Ein nachträgliches Helau, Timo und Hanna



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